Das Schöne und das Hässliche in der Kunsttherapie

Charlotte Trachsel *

Gesundheit, Krankheit, Wohlbefinden: Der aktive Integrationsprozess durch kunsttherapeutische Erfahrung 

«Es ist wahr, dass sich das Hässliche, welches im Atelier mit einem poetischen Blick betrachtet wird, in etwas ganz Neues und Schönes verwandelt»
(Ezio Benelli, Gli irraggiunti, un ritratto di Günter Ammon).

Dieses Bild ist Ausdruck einer Komplexität: Die Person, welche das Bild gemalt hat, befand sich in einer sehr schwierigen Phase. Sie wurde mitten aus einem erfüllten Leben herausgerissen, konnte nicht mehr selbständig leben und funktionieren. Sie litt sehr unter der Situation und konnte sie nicht akzeptieren.

Dieses Bild zeigt den Versuch, eine Beziehung herzustellen zwischen sich (dem Malenden), dem Gemalten (Werk) und dem Therapeuten. Beim Betrachten können wir Spuren sehen: Schön? Hässlich? Wie können wir diese bewerten, definieren?

Was ist Schönheit? Es ist sicher nicht einfach, über das Schöne und das Hässliche zu sprechen. Es ist mehr als nur ein Gefühl, es erfordert den Willen und die Fähigkeit, sich einzulassen, in einen Prozess einzutreten und ihn zu durchleben. Der erste Kontakt erfolgt durch das Sehen. Die Kunsttherapie bietet hier eine Methode an, einen Weg zu einer gemeinsamen Reise.

Wer sich erstmals auf die Kunsttherapie einlässt, fühlt sich oft verloren. Das geschieht aber auch berühmten Malern: Angesichts eines weissen Papiers erleben sie eine Leere, die sowohl dramatisch als auch fruchtbar ist. Dies verlangt Ruhe. Es erfordert Langsamkeit, langsame Gedanken.

Kann das Werk einer Person im Setting der Kunsttherapie mit ästhetischen Parametern beschrieben werden? Weshalb schön? Weshalb hässlich? Aus Sicht der Kunsttherapie kann gesagt werden, dass es sich um Kreativität handelt, sofern es spontan geschieht; um Kunst, sofern ein Prozess durchlebt wird. Die Arbeit drückt sich in einem Dialog zwischen dem Bild, dem Künstler und dem Therapeuten aus.

Bezugnehmend auf den Bildtitel „Kritzelknäuel“, sagt Bettina Egger in ihrem Buch „Urformen des Malens“:
«Der Kritzelknäuel ist meistens die erste Form, die erscheint, wenn ein Kind zu zeichnen beginnt. Obwohl es kaum so aussieht, ist dies bereits eine Körperdarstellung: Der Kritzelknäuel entspricht dem Körperempfinden zu einer Zeit, in der sich der kleine Mensch noch keiner Grenze bewusst ist und ihm auch noch keine Orientierung im Raum zur Verfügung steht. Die allerersten Kritzeknäuel sind völlig motorisch. Es gibt keine Richtung, es ist reiner Impuls. Urformen sind Körperbilder und werden immer wieder gemalt, oft um die Bewegung im Bild zu zeigen. Erwachsene finden eher selten Kontakt zu dieser Urform, oft macht sie Angst, wenn sie vorkommt»
(Bettina Egger, Urformen des Malens, Hogrefe Verlag, Bern, 2015).

Seit vielen Jahren begleite ich im Atelier die Entstehung dieser „Urformen des Malens“. Sie gehören zur Grundausstattung jedes Menschen, unabhängig von Kultur und Persönlichkeit. Wer zum ersten Mal im Krankenhaus ein Kunsttherapie-Atelier betritt, verfügt selten über Erfahrung mit therapeutischem Malen. Oft fehlt auch die Motivation, sich in dieser bereits belastenden Situation vertieft mit Problemen auseinander zu setzen. Dies erklärt, weshalb das Therapieangebot, zumindest zu Beginn, nicht immer auf Gegenliebe stösst.

Zurück zum Kritzelknäuel. Es handelt sich um eine Gestalt, eine Form. Als Therapeutin kann ich mich in das Bild hineinversetzen – ich kann das Gefühl der Angst miterleben, ohne es jedoch zu übernehmen. Ich beobachte mit spielerischer Aufmerksamkeit, was in der Person, auf dem Bild und in mir vorgeht.

Wenn auf einem leeren Blatt Papier spontan und aus einem inneren Impuls heraus Form entsteht, lässt sich oft ein Bedürfnis nach Bewegung erkennen. Diesen aus dem tiefsten Inneren kommenden Prozess kann ich so begleiten, dass die innere Welt sichtbar wird und damit die Möglichkeit, eine neue Realität erleben zu können.

In meiner täglichen Arbeit in einem Krankenhaus begleite ich Menschen, die schwere seelischen und körperlichen Traumata erlitten haben. Ich werde ständig gefordert, mich damit auseinanderzusetzen, nach Sinn und Bedeutung von schön und hässlich zu suchen.

Vereinfacht könnte man sagen, dass es sich um eine subjektive Erfahrung handelt. Um die Vielschichtigkeit des Themas besser zu verstehen, komme ich nicht darum herum, auf das breite Wissen der Antike zurückzugreifen. Zum Beispiel Platon begleitet uns mit seiner Lehre über die Logik im „Dialog mit Diotima“ zur Bedeutung von schön und hässlich, indem er von ihrer gegenseitigen Beziehung ausgeht.

Diotima entgegnet Sokrates, dass: „Hässlich sein nicht notwendigerweise schlecht sein heisse“. In der Lehre der Logik gibt es zwischen schön und hässlich ein gegensätzliches, aber kein widersprüchliches Verhältnis. Während man gleichzeitig schön und nicht schön sein kann, ohne das Prinzip der Widersprüchlichkeit zu verletzen, ist es hingegen möglich, gleichzeitig nicht schön und nicht hässlich zu sein. Zwischen den Extremen von schön und hässlich gibt es Abstufungen; wir können demnach sagen, wer hässlich ist, ist nicht schön, und wer schön ist, ist nicht hässlich, während nicht schön sein mitnichten hässlich sein bedeutet; mit einer Skala über Schönheit und Anmut könnte man eine Zwischenstufe festlegen, hingegen nicht bei absoluter Hässlichkeit.

Ich bin keine Platon-Expertin, aber ich erkenne im oben erwähnten Dialog, was ich denke und sagen möchte.

Die Erfahrung von schön und hässlich findet in meiner Arbeit eine Parallele zwischen gesund und krank. Vorausgesetzt, man deutet Gesundheit als „schön“ im Sinne von Harmonie und Gleichgewicht und Krankheit als „hässlich“, als Unausgewogenheit, Disharmonie und Schrecken.

Ich gehe noch einen Schritt weiter. Die Krankheit reduziert auf das Existentielle, verzweifelnd, verwirrend. Sie provoziert und zwingt, Werte neu zu definieren. Die Krankheit als eine Wurzel des Bösen macht nackt, schutzlos und verletzlich.

Kann es jemandem gut gehen, der krank ist? Überlegungen dazu müssen Gefühle, sowohl negative als auch positive, miteinbeziehen. Gefühle sollten in jedem Fall als ein Geschenk angesehen werden, denn erst sie machen das Leben „erlebbar“, geben das Gefühl von Lebendigkeit, unabhängig ob glücklich oder traurig. Sie haben die grundlegende Aufgabe, unser Funktionieren zu gewährleisten, sie zeigen, dass ich lebe und dies hat für mich die Bedeutung von schön und wahrhaftig. Sie sind ganz einfach Teil unseres Lebens und je mehr wir mit ihnen verbunden sind, sie integrieren, desto mehr spüren wir uns.

Der Umgang mit meinen Patienten und ihren Gefühlen zwingt mich immer wieder zu fragen: “Und was lebt in mir?” Dies ist eine oft gestellte Frage, der wir im Atelier gemeinsam nachspüren können. Das Schöne ist nicht etwas Offensichtliches, es will entdeckt werden.

Die erste Begegnung findet statt wenn der Malende das Atelier betritt. Er kommt aber nie allein, er bringt immer auch seine Beziehungen mit, seine Familie, die Verwandten, Freunde und Arbeitskollegen. Diese komplexen Verbindungen werden langsam erforscht und aufgedeckt. Dies geschieht durch Beobachten und Zuhören, je nach Willen und Eigenart jedes Malenden.

Es ist weder eine Pflicht noch eine Selbstverständlichkeit, ein Atelier zu besuchen. Die Malenden kommen aus einer Bereitschaft, das Angebot der therapeutischen Erfahrung zu nutzen und zu erleben. Dank dieser Bereitschaft gelingt der Umgang mit der Ambivalenz, die sich in dieser Situation ergeben kann: Sie sind zufrieden, Im Atelier zu sein, die Räumlichkeiten an sich sind freundlich und behaglich – sie ahnen, dass die Möglichkeit auf Veränderung, Hoffnung besteht. Zugleich, und gerade aus diesem Grund, empfinden sie viel stärker Verzweiflung und Wut. Die Realität erscheint ihnen ungerecht, dramatisch, ihre Hässlichkeit erschüttert sie, ihre Disharmonie zerreisst sie. Sie fühlen sich fremd und dies führt manchmal zu Depressionen, als hätten sie mit dem Trauma alles verloren, was ihnen wirklich wert ist. „Ich bin krank, ich werde nie wieder so sein wie früher“. Sie empfinden oft eine grosse Wut, weil sie sich mitten in ihrem Leben wie in einen unbekannten Ort und Zustand katapultiert fühlen, weil sie unfähig sind, einen plausiblen Grund zu finden und sich die verzweifelte Frage zu stellen: „Warum ich?“.

Viele Patienten werden zusätzlich von Minderwertigkeitsgefühlen und Hoffnungslosigkeit geplagt. Oft steht ihnen eine Zukunft im Rollstuhl bevor. Sie zweifeln ernsthaft an ihrem Zustand und der Fähigkeit, die vielen Schwierigkeiten bewältigen zu können. In diesem persönlichen Drama ist die Frage berechtigt, welchen Sinn der Besuch eines Ateliers für Kunsttherapie hat. Die Krankheit gehört ins Reich des Hässlichen. Welchen Nutzen hat es, sich an einem Ort aufzuhalten, wo Farben und Kunst Ausdruck von Freiheit sind?

Eine Antwort darauf könnte lauten: Wird jemand unmittelbar von Schönheit berührt, betroffen, weckt dies ein Gefühl von Lebenszugehörigkeit.

Man kann einwenden: Was hat diese Zugehörigkeit mit der ästhetischen Dimension zu tun? Die Farben, die Gesten, die Worte, die Kunst haben die Kraft, unbefriedigte Wünsche zu erfüllen. Sich in den dramatischen Umständen der Krankheit an die Lebenskraft der Kunst zu wenden, hat eine essentielle Bedeutung. Der Macht der Schönheit, der Bilder kann man sich nicht entziehen.

Personen, die sich im Krankenhaus aufhalten müssen, fühlen sich häufig eingesperrt. Das Krankenhaus kann Ausdruck eines Zwangs sein, sowohl in seiner internen Struktur als auch in seiner Funktion: Lange Korridore, Reihen geschlossener Türen mit eingeschlossenen Personen, Geruch von Desinfektionsmittel. Oft wird auch der Zeitbegriff und die Zeiteinteilung völlig verzerrt erlebt. All dies generiert einen starken Fluchtimpuls.

In solchen Momenten erfordert das Leben Zähigkeit. Die Krise bringt uns dazu, eine Brücke zwischen der Krankheit und unserem Wohlbefinden, zwischen dem Hässlichen und dem Schönen zu schlagen. Man kann das Schiff nicht verlassen, sobald ein Sturm losbricht. Die Erfahrung des Schmerzes verlangt von uns, sie zu erleben und durchzustehen.

Welchen Platz hat die Hoffnung in der verzweifelten Realität der Krankheit und des Verlustes von Selbstständigkeit, welche diese Personen erfahren? Antonio Ricci meint dazu:
„Die Suche nach Veränderung, das Akzeptieren des Problems und des Leidens, sind eng verbunden, es ist ein reeller Ausgangspunkt, auch wenn es noch nicht ausreicht. Jeden Tag, wenn wir aufstehen, appellieren wir schweigend an die Hoffnung: Derjenige, der sie erneuert, derjenige, der sie sucht, obwohl er sie nicht sehen kann und derjenige, welcher seit geraumer Zeit dies nicht mehr schafft. Ohne Hoffnung gäbe es keine Veränderung. Dennoch wissen wir alle, dass die Hoffnung das ist, was uns wirklich menschlich macht“.
(Antonio Ricci, Cambiamento e speranza, Manuale Inapplicabile).

Die Hoffnung auf Veränderung kann die Patienten ins Atelier begleiten. An diesem Ort kommt es oft vor, dass man an emotiv starken Momenten teilnehmen und diese erleben kann: Lähmung, Misstrauen und Verzweiflung nehmen manchmal überhand, wie wenn das Leben unterbrochen, blockiert, in seinem Lauf behindert wäre, von etwas weitaus Tieferem als dem zufälligen Zustand der Krankheit.

Im Atelier bilden Raum und Zeit Gefässe zum Sammeln und Erzählen und sind Ausdruck der inneren Dramen und Hoffnungen. So kann es vorkommen, dass man eines Tages etwas Neues entdecket, etwas, das zuvor nicht bemerkt wurde: Eine andere Farbe, Licht und Schatten, eine Form, eine Linie, ein Rhythmus, eine Symmetrie, eine Bewegung, ein Strich. Etwas, das plötzlich Bedeutung bekommt und die Person anspricht, bewegt von tiefen Prozessen, welche die Person dazu bringen, Aspekte ihrer inneren Welt anzusprechen und am bestehenden Bruch mit der realen Welt zu arbeiten. In gewissem Sinne wird der Patient vom Bild verführt. Es ist der Anfang eines Dialogs, bestehend aus Ausdruck, Zuhören und Begleitung. Dies ist für mich der Wert der Kunsttherapie in ihrer spezifischen therapeutischen Bedeutung. In meiner Erfahrung kann sie auch ein Mittel sein, um sich des Schmerzes bewusst zu werden. Gleichzeitig bewirkt sie, dass man sich weniger einsam fühlt, weil sie uns zeigt, dass Krankheit, Schmerz und Tod Teil unseres gesunden Lebens sind. Es gibt keine Medizin zum Einnehmen, aber die Möglichkeit, sich mit sich selbst auseinanderzusetzen.

In dieser Konfrontation zeigen sich die Facetten der Wirklichkeit: Was kann ich noch machen, was ist möglich? Welche Fähigkeiten habe ich verloren? Nach und nach seine Ressourcen zu erkennen, ist etwas Schönes. Es bedeutet auch, bewusst zu leben und jeden Moment zu spüren.

Die Prozesse im Atelier sind komplex und sehr individuell. An dieser Stelle möchte ich einige Elemente vorstellen, die ich in der Kunsttherapie für bedeutsam und charakteristisch halte:

Empathie: Was ist Empathie? In meiner Erfahrung bedeutet es, mich mit den Gefühlen der anderen Person zu verbinden, ohne diese jedoch mit meinen eigenen zu verwechseln. Immer wenn ich in meine eigenen Gefühle verstrickt bin, spüre ich, wie ich nicht mit dem Anderen in Kontakt sein kann. Ich verliere das Hier und Jetzt der Beziehung. Tief Luft holen hilft mir, in die Gegenwart zurückzukehren. Wenn ich merke, dass ich Schwierigkeiten habe, zwischen meinem eigenen Empfinden und dem des Anderen zu unterscheiden, widme ich mich dem Zuhören und versuche, mich ganzheitlich auf die Bedürfnisse und Gefühle der Person mir gegenüber zu konzentrieren. Es ist nicht einfach, weil es meine volle Anteilnahme und Anwesenheit erfordert und ich mich gleichzeitig klar abgrenzen muss. Eine Haltung der Empathie zu entwickeln ist ein sehr komplexer Vorgang und bedeutet, die Verantwortung nicht nur für die eigene Lebensqualität, sondern auch für die des Anderen wahrzunehmen. Es bedeutet, dem Bedürfnis des Anderen aktiv und mit Sorgfalt, Zuvorkommenheit und gebotenem Mass zu begegnen.

Der Versuch, alle Gefühle, seien sie nun positiv oder negativ, anzunehmen und das Leben einzufangen, kann nur von mir ausgehen. Wenn dies authentisch erfolgt, ist das eine schöne Erfahrung.

Die Suche nach einem Einklang mit dem Anderen, dem Unterschiedlichen, das mich trennt. Diese Suche ist für jeden Menschen individuell und einzigartig.

Auch der Kontrast, der in der Malerei so wichtig ist, könnte hier genannt werden. Im Atelier arbeiten wir mit dem Kontrast des Lebens, dem Schönen und dem Hässlichen, mittels der Farben.

Oft nehme ich das Werk von Caravaggio als Metapher. Ich liebe es, meinen Patienten zuerst das Gemälde Der Fruchtkorb zu zeigen, wo neben der frischen Frucht auch ein verwelktes Blatt zu sehen ist. Dieses Blatt deutet an, dass Caravaggio die Realität der Idealisierung vorzog. Das dramatische Licht enthüllt leidenschaftliche Kontraste. Caravaggio zog Licht aus Schatten, Licht aus Höhlen heraus. In seinem Malstil sind die Gegenstände nur teilweise im Hellen, der Rest bleibt im Dunkeln. Licht und Schatten. Der Künstler vertraute den Farbkontrasten und erforschte und modellierte deren Rolle in jedem Gegenstand: Gesten, Bewegungen, Haltungen, wobei er mit ihnen das Drama der Realität betonte. Er setzt den Kontrast von Licht und Schatten ein, welche den Figuren Wichtigkeit geben oder nehmen. Weder schön noch hässlich, aber real.

Der Kontrast in der Malerei kann als Schönheit betrachtet werden. Unsere Augen selbst lieben den Kontrast, durch ihn können wir dem, was wir sehen, einen Sinn geben. Die drei Grundfarben rot, gelb, blau stehen in offenem Gegensatz zueinander, als ob es zwischen ihnen keine Beziehung gäbe. Jede Farbe steht für sich, als ob sie alleine alles ausdrücken könnte. Das ist, was man unter tonalem Kontrast versteht. Auch Caravaggio hat diesen Ansatz in der Malerei vor hunderten von Jahren benutzt.

Warum ist der Kontrast in der Malerei wichtig?

Er erinnert uns an die Notwendigkeit, das Schöne und das Hässliche zu sehen: Auch das Hässliche muss gesehen und integriert werden, nicht nur das Schöne. Beide bedingen sich, um überhaupt einen Kontrast bilden zu können. Eine neue Sicht auf die Dinge wird möglich und damit eine Hoffnung – ein Zeichen, dass noch etwas anderes möglich ist. Es ist keine Illusion, sondern eine Hoffnung, eine reale Möglichkeit. Innerlich verändert sich das Bild von schön und hässlich, es wird neu definiert.

Die Schwierigkeit der malerischen Geste ergibt sich aus der Erkenntnis, dass bisweilen eine harmonische Form gleichzeitig auch Disharmonie beinhaltet. Andere Male hingegen geht die Absicht, etwas Harmonisches zu gestalten, instinktiv in die entgegen gesetzte Richtung, die Disharmonie, Verwirrung und Hässlichkeit schafft.

Es erfolgt keine Beurteilung, nicht richtig oder falsch. Der malerischen Geste zu folgen kann dazu führen, ihre verändernde Kraft und deren emotive Notwendigkeit, welche die Veränderung leitet, zu begreifen. Es ist nicht mehr eine Frage von schön oder hässlich. Es ist etwas Anderes, Neues was man hervortreten lassen soll. Dies gibt Hoffnung.

Ich bin tagtäglich mit der Krankheit, mit dem Hässlichen, in Kontakt. Diese Erfahrung lässt mich zutiefst erkennen, wie selbst ein Trauerfall ein Weg des Wachstums, der Einsicht und der Wiedergeburt sein kann. Ich bin fest davon überzeugt, das Leben, so schmerzvoll, ungerecht und hässlich es auch sein mag, ist nie ohne Bedeutung. Das Leben ist wahrhaftig, es ist wie es ist.

In einem Seminar sagte Paolo Menghi:
„Das eigene Wohlbefinden wünschen und sich fragen, wie man es in der Realität erreichen kann, ist ein Recht, kein Privileg einiger weniger. (…) Den ersten Zustand des Wohlbefindens wird erreicht, wenn wir erkennen, dass wir das Recht haben, uns wohl zu fühlen und zu erforschen, woraus es besteht und wie wir es erlangen können. (…) In den Augen desjenigen, der sucht, liegt eine wunderbare Schönheit und man kann sich diesem Wunder nicht entziehen, weil diese Augen die Seele erfragen (…)“
(Paolo Menghi, Trasformare la mente, seminario, La volontà di star bene).

 

* Charlotte Trachsel
Dipl. Kunsttherapeutin IHK, Beraterin, arbeitet in einer Rehabilitationsklinik, Zusammenarbeit mit „Periagoge“ (Schule der Normodinamica,) Witerbildung in der Normodinamica.